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„Nimm die Nationalfahne runter“

  • Mai 29, 2015Oktober 4, 2016
  • von Belle Vie

Von einer immer wiederkehrenden Debatte, oder: Strikt antinational statt Befreiung – zum 8. Mai in Hannover

Am 8. Mai organisierte die Antifaschistische Gruppe Hannover (AGH) eine Demo unter dem Motto „8. Mai – Tag der Befreiung“. Unsere Gruppe wollte sich ebenfalls mit einigen Sympathisanten daran beteiligen, hatten wir doch wenige Wochen zuvor im Rahmen der Kampagne „70 Years – The Allied Triumph Over Germany“ eine Demonstration zur Befreiung Lindens durch die Alliierten veranstaltet.

Bereits im Aufruf wurde der Charakter der folgenden Demonstration deutlich. So war dort die Rede von der Lehre aus dem Nationalsozialismus, Antifaschismus müsse immer gegen den Staat geführt werden. Als Beispiele und Bezüge zur Gegenwart fanden sich dort unter anderem das Oktoberfestattentat, sowie die jüngst publik gewordene NSU-Mordserie. Daraus folgernd wurde eine Kontinuitätslinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Reich von 1933 bis 1945 gezogen. Von der Gleichsetzung der beiden Staaten und Situationen wurde sich zwar distanziert, doch der Tonfall des Aufrufs war klar: Antifaschismus heute ist vergleichbar mit dem Widerstand im Dritten Reich.

Folgend wird im Aufruf auch die Behandlung von Antisemitismus stiefmütterlich in einen Atemzug mit „antimuslimischen Rassismus“ gestellt. Dabei ist der Dreh- und Angelpunkt des Nationalsozialismus der eliminatorische Antisemitismus gewesen. Die Differenzierung zwischen wahnhafter Vernichtung der Juden und dem „Ausländer raus!“ des post-nazistischen Bündnisses aus Neonazis und besorgten Bürgern bleibt aus.

Dabei ist genau diese Analyse eine wichtige Lehre aus dem Nationalsozialismus. Diese Lehre müsste beinhalten, dass ein progressiver Antifaschismus die Erfahrungen aus der Shoah aufzunehmen und zu reflektieren hat. Ein wichtiger Aspekt in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Vergangenheit ist die Notwendigkeit, sich mit der Beziehung von Antisemitismus und Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und zu versuchen, die qualitative Besonderheit des deutschen Vernichtungswahns zu klären. Das kann nicht gelingen, solange der Antisemitismus als bloßes Vorurteil oder als Rassismus neben vielen betrachtet wird. Den Charakteristika des deutschen Nationalismus und seines immanenten Antisemitismus gilt es eine emanzipatorische Analyse und Kritik gegenüber zu stellen. Zwar ist für diese emanzipatorische Kritik sehr wichtig, herauszustellen, dass es eine dialektische Beziehung zwischen der Zivilisation und der Barbarei gibt, die „falsche Freiheit“ des Kapitalismus, der demokratischen Zivilisation ist aber in jedem Fall der Barbarei vorzuziehen. Denn „Hitler hat dem Menschen im Stande seiner Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: Ihr Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“1

Als wir auf der Demo ankamen, wurden wir darauf hingewiesen, dass unsere mitgebrachten „Nationalstaatsflaggen“ nicht erwünscht seien. Das verwunderte uns sehr, handelte es sich doch dabei um die Flaggen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und die der Sowjetunion, also den Symbolen der Truppen, die den wesentlichen Teil der Militärintervention ausmachten, welche das Ende des Nationalsozialismus herbeigeführt hatte. Wenn an diesem Tag die Fahnen der Befreier gezeigt werden, bedeutet dies nichts anderes als eine Hommage an diejenigen Kräfte, denen wir unseren Dank für die Befreiung von der deutschen Barbarei zeigen wollen. Mit dem Verweis auf eine generelle „antinationale“ Ausrichtung der Demo wird somit nicht nur der historische Kontext verkannt, sondern auch, dass es jene bürgerlich-staatliche Verfasstheit dieser Nationen war, die notwendig für die militärische Intervention war. Das wussten selbst die Überlebenden von Buchenwald, auf deren Schwur sich noch heute jeder vulgärlinke Stammtisch beruft, scheinbar, ohne ihn jemals gelesen zu haben, heißt es dort doch wortwörtlich: „Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt Frieden und das Leben erkämpfen.“2

In Redebeiträgen wurde später betont, dass Antifaschismus auch heute wichtig sei. Dieser Antifaschismus sei jedoch nur gegen den Staat und seine Organe möglich. Generell bezogen sich die Redebeiträge mit Ausnahme des Beitrags vom VVN-BdA auf die heutige Situation. Die Kapitulation der Wehrmacht und der historische Kontext sowie die Rahmenbedingungen, welche 1933 zur Wahl der Nazis in die Parlamente führte, fanden dabei kaum Beachtung. Gerade am 70. Jahrestag der Befreiung Europas vom deutschen Nationalsozialismus wäre allerdings genau das wichtig gewesen. Stattdessen fanden wir uns auf einer Antifa-Demonstration wieder, die genau so auch an jedem anderen Tag hätte laufen können. Der historische Kontext wurde nicht oder kaum beachtet. Völlig unverständlich ist, warum die Fahnen der Befreier auf einer Befreiungsdemo unerwünscht waren.

Für uns ist eines klar: Die Befreiung verdankt Europa den Befreiern. Und diese müssen an einem geschichtsträchtigen Datum wie dem 8. Mai auch Erwähnung, Würdigung und Dank finden.

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  1. Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. In: Gesammelte Schriften, Band 6. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
  2. Im Internet unter: https://www.buchenwald.de/fileadmin/buchenwald/download/der_ort/Buchenwaldschwur.pdf (20.05.2015)

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