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Schall & Wahn – Aufruf

  • Juni 18, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Ab sofort ist der Bündnis-Blog online und es findet sich der Aufruf zum diesjährigen al-Quds-Tag im Netz unter:http://schallundwahn.blogsport.eu/

„Der Feind meines Feindes ist mein Freund“

Am 10. Juli werden sich in Berlin mehr als Tausend – vorrangig islamistische – AntisemitInnen versammeln, um für die Vernichtung Israels zu demonstrieren. Wir rufen dazu auf, sich an der Gegenkundgebung des Berliner Bündnisses gegen den al-Quds-Tag zu beteiligen.

Der al-Quds-Tag – arabisch f. „Jerusalem-Tag“ – bezeichnet einen der größten antisemitischen Massen-Aufmärsche in Deutschland und weltweit. Jerusalem nimmt in der iranischen Staatsdoktrin eine zentrale Stellung ein. Die proklamierte ‚Befreiung‘ Jerusalems steht zum einen sinnbildlich für die angestrebte Auslöschung des jüdischen Staates. Der Bezug auf Jerusalem und die Etablierung des al-Quds-Tages soll zum anderen der Mobilisierung der muslimischen Massen über innerreligiöse Grenzen hinweg gegen ein gemeinsames Feindbild – Israel und USA – dienen. So wird an diesem Tag seit seiner Ausrufung durch den religiösen Führer Ayatollah Khomeini nach der islamistischen Revolution 1979 ein einheitliches muslimisches Kollektiv als Leidensgemeinschaft und Gemeinschaft der Unterdrückten beschworen.

Khomeinis Anspruch, den alQuds-Tag als sogenannten „Revolutionsexport“ in die gesamte Welt zu tragen, um der islamistischen Utopie einer „Weltgemeinschaft der Muslime“ (Umma) näher zu kommen, wurde mit der Etablierung des Aufmarschs u.a. in den USA, Großbritannien und Deutschland zwar vorangetrieben, glücklicherweise jedoch nie dem Anspruch nach erreicht. Dennoch ist dieser Massenaufmarsch, an dem sich seit 36 Jahren weltweit Millionen Personen beteiligen, als globales Phänomen zu verstehen und bleibt nicht auf Iran beschränkt. So marschieren mittlerweile jährlich mehrere tausend Menschen auch in Berlin für die Vernichtung des jüdischen Staates. Anmelder und Hauptorganisator des antisemitischen Massenevents in Deutschland, zu dem bis zu 2500 Teilnehmende erscheinen, ist der Berliner Jürgen Grassmann, Mitglied der Hisbollah-nahen „Quds-AG“ und Vertreter von Occupy sowie diverser NWO Verschwörungstheorien. In seiner Rede zum AlQuds Tag 2013 weist dieser, den antisemitischen Topos der Trennung von Antizionismus und Antisemitismus aufgreifend, einerseits darauf hin, dass bei der Demonstration „auf gar keinen Fall antisemitische Rufe“ geduldet würden und beschwört im selben Moment vor „Boycott Israel“ Plakaten, dass „alle Medien nicht frei sind von der Diktatur des Zionismus“. Unterstützt wird er von den Delmenhorster Brüdern Gürhan und Yavuz Ozuguz, beide Betreiber islamistischer Onlineversände wie ‚Muslim-Markt‘ sowie dem islamistisch ausgerichteten „Islamischen Zentrum Hamburg“ (IZH), das als direktes Bindeglied zum iranischen Regimes fungiert und dessen antiwestliche und antisemitische Propaganda in Deutschland verbreitet. Der antisemitische Massenaufmarsch am al-Quds-Tag ist vor allem wegen seines integrativen Charakters für die antisemitische Ideologie von so großer Bedeutung. So finden sich jährlich am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan die verschiedensten antisemitischen Fraktionen ein, u.a. Hisbollah-Fans, Verschwörungstheoretiker_innen und Neonazis, um gemeinsam die Vernichtung Israels zu fordern.

Ähnliche Forderungen werden nicht selten auch von antiimperialistischen Linken und selbsternannten „Friedensfreunden“ der Montagsmahnwachen, wie dem Compact-Redakteur Jürgen Elsässer vorgebracht. Das Nebeneinander solch verschieden scheinender Gruppierungen mag zunächst wiedersprüchlich wirken, doch der verbindende Kitt aller Akteure ist ihr eliminatorischer Antizionismus, der nur einen Schuldigen als gemeinsames Feindbild für die wahrgenommene Misére des Kapitalismus kennt – den jüdischen Staat und seine Unterstützer_innen. So fungiert der al Quds-Tag nicht nur als Instrument zur Verbreitung einer schiitischen, islamistischen Ideologie, sondern eben auch als Integrationsmittel zur Vereinigung der unterschiedlichsten politischen Strömungen, durch den Fokus auf einen antizionistischen „Befreiungskampf“ und ihren antisemitischen Wahn. Aus diesen Gründen muss der Aufmarsch der Unterstützenden einer Terrororganisation wie der Hisbollah bzw. des totalitären Regimes Iran verunmöglicht werden!

Der Islamismus

Der Begriff des Islamismus findet in den gegenwärtigen öffentlichen Debatten einen immer diffuseren und zugleich inflationären Gebrauch, weshalb wir eine Definition für notwendig halten, um die aus einem antifaschistischen Selbstverständnis sich ergebende Zwangsläufigkeit darzulegen dieser menschenverachtenden Ideologie entgegenzutreten.Islamismus bezeichnet eine Reihe verschiedener ‘revolutionär’-reaktionärer Bewegungen und deren Krisenbewältigungsideologien, mit denen die Moderne, fortschreitender Kapitalismus und der damit einhergehende gesellschaftliche, politische und ökonomische Wandel aufgehalten werden sollen. Diese politischen Bewegungen sind keine geschichtsunabhängige Schattenseite des Islams, sondern genuin modern.1

In widersprüchlicher Dichotomie ist die Propaganda des Islamismus als Reaktion auf die Modernisierung und äußerliche Vergesellschaftung des arabischen Raumes zu deuten; der Antimodernismus als Reaktion darauf ist bedingt durch die Vorstellung sich zwar einige Aspekte der Modernität – moderne Technik etwa – aneignen zu können ohne eine kulturelle Veränderung zuzulassen und weiterhin im theozentrischen Weltbild zu verharren. Die mit Moderinisierungsprozessen einhergehenden kulturellen Veränderungen – etwa die Liberalisierung der Sexualmoral, zunehmender Individualismus, Säkularisierung, die Auflösung traditioneller sozialer Ordnungen – werden als krisenhaft und bedrohlich empfunden und mittels eines manichäischen Denkens2 verarbeitet. Diesem ist zu eigen, dass es weder strukturelle noch innergesellschaftliche Ursachen für Krisenerscheinungen kennt. Vermittels eines Freund-Feind- Schemas werden die als bedrohlich empfundenen Aspekte der Moderne auf einen äußeren Feind projiziert, der als Zersetzer des als authentisch und organisch-gewachsen imaginierten eigenen Kollektivs gebrandmarkt und abgewehrt wird. Gegen diese als wesensfremd betrachteten Einflüsse wird eine islamische Identität veranschlagt, die durch ‚Reinigung‘ von diesen Einflüssen wiederhergestellt werden soll. Im islamistischen Denken sind es wahlweise der Westen, die USA, Israel / die Juden oder als vom Westen korrumpierte ‚Ungläubige‘ der eigenen Gesellschaften, in denen der Hass auf die moderne Gesellschaft kulminiert: Antimodernismus äußert sich im Islamismus vor allem antiwestlich. Dass die Moderne mit dem Westen bebildert wurde, hat seine historischen Wurzeln im Kolonialismus. Der Westen als Chiffre für Modernisierung liefert über islamistische Kreise hinaus ein Erklärungsmodell für die Begleiterscheinungen der kapitalistischen Moderne, die auf einen antagonistischen Dualismus zwischen dem Westen und der beschworenen Gemeinschaft heruntergebrochen werden.

In Anbetracht der Staatsgründung Israels, das damit zum Repräsentanten westlichen Lebens inunmittelbarer Nähe wurde, der unvorhergesehenen und als entwürdigend empfundenen Niederlage im 6-Tage-Krieg und der zunehmend internen Konflikthaftigkeit der islamistischen Strömungen spitzte sich diese antiwestliche Haltung zunehmend antisemitisch zu. Auch wenn große Teile der Bilder und Semantik sich dabei am aus artikulierteren Fundus des westlichen Antisemitismus bedienten, ist die Rede von einem reinen Ideologieimport zu kurz gedacht: Ein Antijudaismus existierte, wenn auch weniger gewaltförmig als in Europa, auch im osmanischen Reich. Und, viel bedeutender, die Ähnlichkeiten islamistischer Gesellschaftsvorstellungen und dem was als Nationalsozialismus Hauptexporteur des Antisemitismus wurde, beginnen nicht erst bei diesem: Beide streben eine Form von Gemeinschaft an, in der Staat und Gesellschaft identisch sind, begreifen sich als ‚Betrogene der Moderne‘ und identifizieren davon ausgehend ‚die Juden‘ nicht nur als Quell des eigenen, sondern des weltweiten Übels.Solange diese weiterhin existieren, sei ein gemeinschaftlich-friedliches Leben nirgendwo auf der Erde möglich.

Die von Islamisten angestrebte Gemeinschaft ist transnational-muslimisch, wobei selbstredend nicht über die blutige Konkurrenz innerhalb des Islamismus um die Umsetzung dieses globalen Anspruches hinweggesehen werden darf. Während der sunnitische Islam sich rückwärtsgewandt im Sinne des Salafismus auf ein vergangenes ‚Goldenes Zeitalter‘ beruft, leugnet die schiitische Glaubensströmung, das ein solches jemals existierte und blickt messianistisch der Ankunft des Imam al-Mahdi entgegen. Neben der fundamentalen Opposition der beiden Strömungen finden sich auch innerhalb dieser weitere Konfliktherde: So erklärten erst kürzlich die sunnitischen Taliban die ebenfalls sunnitischen Anhänger des IS zu ihren Gegnern, die ihrerseits bereits im Kampf mit der saudischen Krone um den Anspruch der wahren salafyyia stehen. Zentral dabei ist der inzwischen zwar wohl bekannte aber ähnlich zerfaserte Begriff des Djihad, der für alle genannten Bewegungen schlußendlich nichts anderes als die Umsetzung der islamistischen Utopie mit terroristischen Mitteln bezeichnet. Was dies in der Praxis heißt, lässt sich an den Gräueltaten des IS ablesen, sollte allerdings nicht vom staatlich institutionalisierten Islamismus des Iran ablenken: Letztlich geht es beiden um die Etablierung, bzw. Aufrechterhaltung und Expansion eines autoritären Zwangskollektivs, das einen totalen Zugriff auf das Individuum ausübt. So lässt auch das iranische Regime Homosexuelle hängen und steinigt Frauen, die dem ihnen aufgezwungenen Rollenbild nicht entsprechen. Mittels eines religiösen Diskurses von der göttlichen Ordnung der Geschlechter wird eine alle Teile der Gesellschaft durchziehende Geschlechtertrennung stabilisiert und Frauen auf einen unterlegenen Status degradiert. So werden Frauen im Iran verurteilt, wenn sie sich gegen ihren gewalttätigen Ehemann wehren. Islamist_innen geht es somit immer auch um die Sicherung patriarchaler Herrschaft.

Sich klar gegen Islamismus zu positionieren muss daher Aufgabe einer jeden emanzipatorisch denkenden Person sein. Das Engagement gegen den al-Quds Tag, als internationaler Exportschlager des Iran kann nur ein Teil davon sein.

Die Islamische Republik auf der Weltbühne

Außenpolitisch konnte der Iran in letzter Zeit einige erschreckende Etappensiege verbuchen: Von einer Politik der politischen und wirtschaftlichen Sanktionen – welche beispielsweise von deutschen Unternehmen schon damals unterlaufen wurden – ist die westliche Politik nun dazu übergegangen, den Iran diplomatisch per Appeasement politisch in ein weltweites Vertragssystem einzubinden.

Dass es weiten Teilen des Westens eigentlich nie wirklich um den Kampf gegen Islamismus ging, wird daran deutlich, dass man den islamistischen Terror des IS nun im Bündnis mit dem islamistischem Iran zu bekämpfen versucht. Und es zeigt sich daran, dass nicht das Bündnis mit freiheitlichen Kräften gesucht wurde, sondern stattdessen Regimes wie Saudi-Arabien hofiert werden – und seit neuestem dem iranische Regime entgegengekommen wird, weil man es als Stabilitätswahrer in der Region schätzt. Der Legitimierung dieser Politik dient auch die vollkommen realitätsferne Zeichnung des seit 2013 amtierenden Präsidenten Rohani als „moderat“ und Träger eines „Politikwechsels“.
Dass die iranische Führung keinen Zentimeter von ihrem antiwestlichen Ressentiment gegenüber den USA und Israel abgewichen ist und dass die iranische Bevölkerung unter Rohani den staatlichen Terror noch stärker zu spüren bekommt, straft diese Rede allerdings Lügen. So sind zwischen Rohanis Amtsantritt im Juli 2013 und Juni 2014 852 Menschen hingerichtet worden, was einen deutlichen Anstieg zum Zeitraum davor ausmacht.

Die vorgebliche Gewaltenteilung, welche die Teilung von Legislative, Exekutive und Judikative im iranischen Regime bezeichnen soll, ist bloßer Schein. Im Iran gilt das Führerprinzip, denn an der Spitze des Regimes steht der Vertreter Gottes: der herrschende Revolutionsführer Ali Chamene’i. Dieser leugnet seit Jahren den Holocaust, bezeichnet Israel als Krebsgeschwür der Region und hat vor einiger Zeit erst einen 9-Punkte-Plan zur Vernichtung des jüdischen Staates auf Twitter gepostet. Der Verfassung gemäß obliegt ihm die Entscheidungsgewalt über die Streitkräfte, er wählt und ernennt die Mitglieder des Wächterrates, den obersten Richter und den Direktor des Medienrates. Er hat die Befugnis den Generalstabschef, das Oberkommando der islamischen Revolutionswächter und den Oberkommandierenden der Polizei und der Armee zu berufen bzw. abzusetzen. Außerdem unterzeichnet er die Ernennung des Präsidenten seiner Wahl oder enthebt diesen seines Amtes. Faktisch besitzt er als geistlicher Führer somit das absolute Machtmonopol und steht über Legislative, Exekutive und Judikative.

Die Macht des Revolutionsführers wird zusätzlich durch die despotischen Institutionen des Wächterrates, des Expertenrates und dem Rat der Erkenntnis der Staatsinteressen zementiert. Lenkt man nun zuletzt den Blick auf die Wahlbefugnisse der einzelnen Institutionen, fällt die diktatorische Verfasstheit des Irans vollends ins Auge. Denn der Wächterrat wählt den Expertenrat und dieser ist für die Wahl des geistlichen Führers zuständig. Der geistige Führer wiederum ernennt den Wächterrat, welcher zusätzlich das Majless, das angebliche Parlament, kontrolliert. Somit entsteht ein unhintergehbarer Zirkel der Macht.

Diesem Regime ermöglicht die veränderte westliche Politik nun eine starke Verhandlungsposition auf dem internationalen Parkett und außerdem einen Ausbau seines Einflusses in der Region. Traditionell unterstützt der Iran hier militärisch agierende antisemitische und islamistische Gruppierungen. Mögen die Beziehungen in letzter Zeit auch abgekühlt sein – am Beispiel der iranischen Unterstützung der sunnitischen Hamas zeigt sich, wie zugunsten des gemeinsamen Feindes Israel und des geteilten Antisemitismus auch über ethnoreligiöse Spaltungen hinaus Bündnisse eingegangen werden. Darüber hinaus wird die vom Libanon aus gegen Israel kämpfende schiitische Hisbollah von jeher durch den Iran finanziell und logistisch unterstützt. Die Hisbollah ist eine libanesische Organisation, dessen Ziele die Errichtung einer islamischen Republik im Libanon nach iranischem Vorbild und die Vernichtung Israels sind. Zu diesen Zwecken bestehen sie aus einer gewählten „Partei”, die auch in der libanesischen Nationalversammlung sitzt und einer Miliz, die die Hegemonie im Süden Libanons inne hat. Die Hisbollah ist eine der bedeutendsten islamistischen Organisationen im Nahen Osten und ist trotz ihrer schiitischen Ausrichtung in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert.

Die neuere westliche Politik kommt dem Iran allerdings auch in Bezug auf dessen für Israel bedrohliches Atomprogramm entgegen. Sollte auf der Grundlage der Verhandlungen des Irans mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands im Frühjahr 2015 ein Abkommen geschlossen werden, dann wäre der Iran weder gezwungen, etwas an der Infrastruktur seines Atomprogramms zu ändern, noch an seinem Raketenprogramm. Die iranische Beteuerung, die Atomkraft nur zivil zu nutzen, darf allerdings keinesfalls täuschen – der Iran will Atomwaffen und wird nicht zögern, sie einzusetzen. Angesichts der seit 1979 stets wiederholten Vernichtungsgebärden gegen Israel sind die Ergebnisse der neuesten internationalen Verhandlungen für den jüdischen Staat mehr als bedrohlich.

Warum Israel?

Diese Frage zu beantworten müsste gerade in Zeiten akuter und massenhafter antisemitischer Übergriffe wie im Sommer 2014 besonders leicht fallen. Festhalten lässt sich, dass erst die Ausrufung Israels als jüdischer Staat eines auf Dauer verändern konnte: Die jahrtausendealte Degradierung der Juden zum hilflosen Objekt der Verfolgung. Nicht dass Antisemitismus in der Folge verschwunden wäre, aber seit 1948 können sich Jüdinnen und Juden zum ersten mal den ihnen entgegen geworfenen Vernichtungsantisemitismus mit Armee, Waffen und Staat entgegenstellen und dies zum Unmut ihrer Feinde nicht ohne Erfolg. Die Obsession der Welt mit Israel ist seit dem an Absurdität nicht zu überbieten. So verurteile die UN Frauenrechtskommission 2015 in der gemeinsam beschlossenen Resolution zur 59. Jahressitzung einzig Israel für die Verletzung von Frauenrechten, was in Anbetracht der Situation von Frauen etwa im Iran oder Saudi-Arabien wie ein schlechter Witz klingt. Kein weiterer Staat ist derart fortgesetzten Boykottkampagnen ausgesetzt und kein anderer Staat war in seiner Geschichte so häufig mit handfesten Vernichtungsbestrebungen konfrontiert wie Israel. Die jüdische Verfasstheit des Staates Israel ist dabei das, was dieses Fleckchen Erde in den Augen so vieler „Israelkritiker_innen“, wie die salonfähigen Antisemit_innen heute heißen, zur größten Gefahr für den Weltfrieden macht. Dass es bei dieser Israelkritik nicht um die Beanstandung humanitärer Missstände geht, sondern vielmehr darum Israel zu dämonisieren, lässt sich am Beispiel der palästinensischen Flüchtlinge in den umliegenden arabischen Staaten zeigen. Das besondere Interesse der Weltöffentlichkeit daran ist angesichts von deutlich schlimmeren Krisenregionen schon eigentümlich genug. Vollends abstrus wird es allerdings, wenn deren mitunter elendige Lebensbedingungen Israel angelastet werden: Sie leben in arabischen Staaten, die ihnen bewusst politische und soziale Teilhabe verweigern, um sie – mit vererbbarem Flüchtlingsstatus – als Manövriermasse gegen Israel zu instrumentalisieren.

Antizionismus nennt sich der Umweg, der versucht den Jüdinnen und Juden das Recht auf Selbstverteidigung zu entziehen, ohne sie dabei wenigstens noch beim Namen zu nennen. Richtet er sich doch „nur“ gegen die jüdische Bestrebung eines eigenen Nationalstaates, die einzige Form in der kapitalistischen Verfasstheit der Welt, die fähig ist, Schutz zu bieten.

Sich dieser Erkenntnis und seiner Ohnmacht bewusst zu sein, heißt sich bedingungslos solidarisch mit Israel zu erklären. Bedingungen zu nennen, verkennt die Alternativlosigkeit in Anbetracht der Vernichtungswünsche der AntisemitInnen. Es bedeutet nichts anderes, als Juden und Jüdinnen erneut der Verfolgung und Schutzlosigkeit ohne eigenen Staat auszusetzen. Die derzeitige massenhafte Flucht europäischer Juden und Jüdinnen vor allem aus Frankreich nach Israel belegt eine einfache Wahrheit heute aufs Neue: Der Zionismus ist berechtigt.
Dies bedeutet nicht humanitäre Missstände zu leugnen oder jeden Aspekt israelischer Regierungspolitik gut zu heißen, sondern dass die existenzielle Bedrohung von Juden und Jüdinnen der wichtigste Aspekt dieser Betrachtung sein muss.

Was macht eigentlich..? Die deutsche Linke

Die Reaktionen auf den Gazakrieg und die ansteigende (Mobilisierungs-)Aktivität von Dschihadist_innen haben gezeigt, dass auch die Linke in Deutschland kaum willens ist, ernst zu nehmen, wie offen der Antisemitismus mittlerweile auftritt, oder darin überhaupt ein Problem zu erkennen.

Antizionistische Linke in Deutschland, so etwa Teile der Linkspartei und ihrer 5Jugendorganisation Linksjugend [‚solid] sowie antiimperialistische Gruppen, beteiligten sich im Sommer 2014 an Demonstrationen, auf denen sie und andere ihren eigenen schlecht als Antizionismus getarnten Antisemitismus zur Schau stellten und neben ihnen islamistische oder neonazistische Gruppen einen völlig unverblümten und aggressiven Antisemitismus präsentierten, der in Rufen wie „Judenschweine!“ oder „Jude, Jude, feiges Schwein, komm 10 heraus und kämpf‘ allein!“ gipfelte.3 All dies zeigt nicht einfach bloß eine Ignoranz dieser Sorte von Linken gegenüber antisemitischen Einstellungen auf, es weist vielmehr auf eine deutliche Schnittmenge mit diesen hin.

So propagierte ein kleiner Teil der Linken anlässlich des Gaza-Krieges einen derartigen Antizionismus oder verband sich auf den Straßen mit denen, die sich nicht die Mühe gaben, ihren Antisemitismus zu kaschieren. Charakteristische Reaktionen auf die islamistischen und antisemitischen Großdemonstrationen waren für den Großteil der radikalen Linken vor allem eines: Nicht-Verhalten und Schweigen. Waren öffentliche Äußerungen schon selten, so beschränkten sich Gegenaktivitäten auf einzelne, kleine Gruppen oder fanden erst gar nicht statt. Das kommt nicht von ungefähr: Der Umstand, dass Muslime in Europa von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, führte und führt viele Linke zu der vollkommen falschen Schlussfolgerung, jede Kritik am Islamismus, am Islam als Religion oder an muslimischem Antisemitismus spiele Rechtspopulismus und Rassismus in die Hände. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Unter der Hand wird so den Rechtspopulist_innen eine adäquate Kritik, etwa des Islam, zugesprochen. Dass „Islamkritik“ á la Pegida nicht mehr als „Ausländer raus!“ meint, sollte bei genauem Hinsehen hingegen ersichtlich sein. Wenngleich Teile linker Islamismuskritik – dort etwa wo kein Unterschied zwischen Islam und Islamismus gemacht wird – nicht unproblematisch sind, ist es falsch, auf eine Islamismuskritik zu verzichten. Eine emanzipatorische Kritik des Islamismus ist gerade angesichts aller rassistischen und rechtspopulistischen Pseudokritik unverzichtbarer denn je.
Die Scheu Antisemitismus, wenn er so offen zu Tage tritt wie im Sommer 2014, auch an jenen zu kritisieren, die potenziell Opfer von Rassismus werden, spricht leider Bände über den Zustand linksradikaler Kritik.

Ablesbar ist die linke Bewusstlosigkeit auch an ihren Begriffen, beispielsweise dem der „Islamophobie“, welcher die Essenzialisierung und rassistische Abwertung von Muslimen kennzeichnen soll. Es sollte selbstverständlich sein –muss aber in einem Land, in dem Sarrazins Bücher zu Bestsellern werden durchaus immer wieder betont werden – dass der Stigmatisierung und Abwertung von Personen, die aufgrund optischer Merkmale dem Islam zugeordnet werden, entgegenzutreten ist. Ebenso selbstverständlich sollte es sein, der kulturalistischen Zuschreibung wesenseigener Merkmale eine Absage zu erteilen. Der rassistischen Diskriminierung von Muslim_innen muss sich entgegengestellt werden. Der Begriff Islamophobie ist dafür allerdings ungeeignet, da er suggeriert, das Problem liege in einer Ablehnung des Islam und nicht im Rassismus gegen Muslime. Menschen sind vor Diskriminierung zu schützen, aber Religionen nicht vor Kritik!

Auch war nicht jede –grundsätzlich ja begrüßenswerte – antifaschistische Aktivität gegen den Antisemitismus der Gaza-Demonstrationen dem Anlass angemessen.4 Der Antisemitismus dieser Demonstrationen äußerte sich nicht bloß darin, für das Handeln der israelischen Regierung (etwa ihr Vorgehen gegen die Hamas) alle jüdischen Menschen verantwortlich zu machen und anzugreifen, wie mitunter behauptet wurde. Sein Einsatzpunkt lag um einiges früher: Schon die dämonisierende Verurteilung israelischer Politik hat mit der objektiven Beurteilung irgendeiner Regierungspolitik wenig zu tun, sondern dokumentiert den dahinterliegenden Antisemitismus. Die gewaltvollen Begleiterscheinungen bürgerlicher Staatlichkeit, zu beobachten an jedem modernen Staat, einzig und besonders Israel anzukreiden, offenbart die besonderen –antisemitischen –Maßstäbe einer solchen Beurteilung. Eine adäquate Kritik des antizionistischen Antisemitismus ist die Voraussetzung für eine angemessene Intervention gegen ihn und gegen die sich aus ihm ergebenden Angriffe auf Juden.

Ein ernst gemeinter Antifaschismus hat darüber hinaus insbesondere die ohnmächtige Solidarität mit Israel zur Konsequenz. Auch wenn die Sicherheit Israels dem eigenen Einfluss entzogen ist, gibt es genügend Interventionsmöglichkeiten für einen konsequenten Antifaschismus. Damit tut sich die Linke allerdings schwer: Wenn Juden in großer Zahl aus Europa nach Israel fliehen, es zu antisemitischen Großdemonstrationen kommt und eine radikale Linke dazu schweigt oder sich mit wichtigerem zu beschäftigen weiß, ist davon auszugehen, dass die Linke aus Fehlern ihrer eigenen Geschichte kaum oder gar nicht gelernt hat.

Krisensituationen befördern reaktionäres Bewusstsein verschiedenster Couleur – das gilt es nicht nur zur Kenntnis, sondern theoretisch wie praktisch ernst zu nehmen. Es ist eine Sache, an der Möglichkeit der Veränderung festzuhalten und hierfür linksradikale Kritik an den herrschenden Zuständen zu üben, etwas anderes ist es, sich nur noch mit vermeintlichen oder wirklichen „Aufbrüchen“ zu beschäftigen und die Ausbreitung von reaktionärem und antisemitischem Bewusstsein nicht weiter zu beachten: Die eigene Ohnmacht müsste den antifaschistischen Kampf gegen Islamismus und Antisemitismus in den Bereichen begründen, die noch nicht dem Einfluss einer marginalen radikalen Linken entzogen sind.

Wie ernst es ihr mit dem Kampf gegen Islamismus und Antisemitismus wirklich ist, kann die antifaschistische Linke am 10. Juli 2015 in Berlin unter Beweis stellen: Dort werden Anhänger_innen von Hamas, Hisbollah, dem iranischen Regime und andere antisemitische Protagonisten wie in den Jahren zuvor für die Vernichtung des jüdischen Staates demonstrieren –wer einen konsequenten Antifaschismus verfolgen will, ist aufgerufen, sich dem praktisch entgegenzustellen.

Texte

„Nimm die Nationalfahne runter“

  • Mai 29, 2015Oktober 4, 2016
  • von Belle Vie

Von einer immer wiederkehrenden Debatte, oder: Strikt antinational statt Befreiung – zum 8. Mai in Hannover

Am 8. Mai organisierte die Antifaschistische Gruppe Hannover (AGH) eine Demo unter dem Motto „8. Mai – Tag der Befreiung“. Unsere Gruppe wollte sich ebenfalls mit einigen Sympathisanten daran beteiligen, hatten wir doch wenige Wochen zuvor im Rahmen der Kampagne „70 Years – The Allied Triumph Over Germany“ eine Demonstration zur Befreiung Lindens durch die Alliierten veranstaltet.

Bereits im Aufruf wurde der Charakter der folgenden Demonstration deutlich. So war dort die Rede von der Lehre aus dem Nationalsozialismus, Antifaschismus müsse immer gegen den Staat geführt werden. Als Beispiele und Bezüge zur Gegenwart fanden sich dort unter anderem das Oktoberfestattentat, sowie die jüngst publik gewordene NSU-Mordserie. Daraus folgernd wurde eine Kontinuitätslinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Reich von 1933 bis 1945 gezogen. Von der Gleichsetzung der beiden Staaten und Situationen wurde sich zwar distanziert, doch der Tonfall des Aufrufs war klar: Antifaschismus heute ist vergleichbar mit dem Widerstand im Dritten Reich.

Folgend wird im Aufruf auch die Behandlung von Antisemitismus stiefmütterlich in einen Atemzug mit „antimuslimischen Rassismus“ gestellt. Dabei ist der Dreh- und Angelpunkt des Nationalsozialismus der eliminatorische Antisemitismus gewesen. Die Differenzierung zwischen wahnhafter Vernichtung der Juden und dem „Ausländer raus!“ des post-nazistischen Bündnisses aus Neonazis und besorgten Bürgern bleibt aus.

Dabei ist genau diese Analyse eine wichtige Lehre aus dem Nationalsozialismus. Diese Lehre müsste beinhalten, dass ein progressiver Antifaschismus die Erfahrungen aus der Shoah aufzunehmen und zu reflektieren hat. Ein wichtiger Aspekt in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen der Vergangenheit ist die Notwendigkeit, sich mit der Beziehung von Antisemitismus und Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und zu versuchen, die qualitative Besonderheit des deutschen Vernichtungswahns zu klären. Das kann nicht gelingen, solange der Antisemitismus als bloßes Vorurteil oder als Rassismus neben vielen betrachtet wird. Den Charakteristika des deutschen Nationalismus und seines immanenten Antisemitismus gilt es eine emanzipatorische Analyse und Kritik gegenüber zu stellen. Zwar ist für diese emanzipatorische Kritik sehr wichtig, herauszustellen, dass es eine dialektische Beziehung zwischen der Zivilisation und der Barbarei gibt, die „falsche Freiheit“ des Kapitalismus, der demokratischen Zivilisation ist aber in jedem Fall der Barbarei vorzuziehen. Denn „Hitler hat dem Menschen im Stande seiner Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: Ihr Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“1

Als wir auf der Demo ankamen, wurden wir darauf hingewiesen, dass unsere mitgebrachten „Nationalstaatsflaggen“ nicht erwünscht seien. Das verwunderte uns sehr, handelte es sich doch dabei um die Flaggen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und die der Sowjetunion, also den Symbolen der Truppen, die den wesentlichen Teil der Militärintervention ausmachten, welche das Ende des Nationalsozialismus herbeigeführt hatte. Wenn an diesem Tag die Fahnen der Befreier gezeigt werden, bedeutet dies nichts anderes als eine Hommage an diejenigen Kräfte, denen wir unseren Dank für die Befreiung von der deutschen Barbarei zeigen wollen. Mit dem Verweis auf eine generelle „antinationale“ Ausrichtung der Demo wird somit nicht nur der historische Kontext verkannt, sondern auch, dass es jene bürgerlich-staatliche Verfasstheit dieser Nationen war, die notwendig für die militärische Intervention war. Das wussten selbst die Überlebenden von Buchenwald, auf deren Schwur sich noch heute jeder vulgärlinke Stammtisch beruft, scheinbar, ohne ihn jemals gelesen zu haben, heißt es dort doch wortwörtlich: „Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt Frieden und das Leben erkämpfen.“2

In Redebeiträgen wurde später betont, dass Antifaschismus auch heute wichtig sei. Dieser Antifaschismus sei jedoch nur gegen den Staat und seine Organe möglich. Generell bezogen sich die Redebeiträge mit Ausnahme des Beitrags vom VVN-BdA auf die heutige Situation. Die Kapitulation der Wehrmacht und der historische Kontext sowie die Rahmenbedingungen, welche 1933 zur Wahl der Nazis in die Parlamente führte, fanden dabei kaum Beachtung. Gerade am 70. Jahrestag der Befreiung Europas vom deutschen Nationalsozialismus wäre allerdings genau das wichtig gewesen. Stattdessen fanden wir uns auf einer Antifa-Demonstration wieder, die genau so auch an jedem anderen Tag hätte laufen können. Der historische Kontext wurde nicht oder kaum beachtet. Völlig unverständlich ist, warum die Fahnen der Befreier auf einer Befreiungsdemo unerwünscht waren.

Für uns ist eines klar: Die Befreiung verdankt Europa den Befreiern. Und diese müssen an einem geschichtsträchtigen Datum wie dem 8. Mai auch Erwähnung, Würdigung und Dank finden.

Archiv

Schall & Wahn – Gegen den Kampftag der antisemitischen…

  • Mai 20, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Am 10. Juli werden wie im letzten Jahr auch diesmal tausende Antisemiten beim al-Quds-Tag in Berlin aufmarschieren. Ihr Ziel ist die Auslöschung Israels. Doch dieses Event ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Islamismus ist nicht nur im Nahen und Mittleren Osten eine bestimmende Ideologie, sondern breitet sich auch immer stärker in Europa aus. Das Attentat von Paris und der systematische Terror des Islamischen Staates sind die brutalsten, medial am meisten Aufmerksamkeit erregenden Ereignisse, doch auch die Gaza-Demonstrationen im letzten Sommer sind Resultat von Antisemitismus und Islamismus. Leider geschah dies unter großer Ignoranz der radikalen Linken. Wir wollen das ändern.

Wie im letzten Jahr nehmen wir den 10. Juli zum Anlass, um gegen Islamismus und Antisemitismus zu mobilisieren. Zum al-Quds-Tag wird es dann eine gemeinsame Anreise nach Berlin geben. Wir freuen uns auf euch!

Hier der Überblick:

Persepolis – Filmvorführung

Die Comic-Verfilmung der französischen Regisseurin Marjane Satrapi zeigt, wie diese ihre Kindheit im Iran zwischen westlicher Moderne und politischem Islam im Iran wahrgenommen hat. Dabei setzt sie ihre eigenen gesellschaftlichen und unkonventionellen Schwerpunkte. Die Protagonistin erlebt hautnah, wie die Auswirkungen der neu entstandenen Theokratie sie und ihr soziales Umfeld beeinflussen, wie zum Beispiel das erzwungene Tragen von Kopftüchern. Auf besondere Weise wird porträtiert, wie der jugendliche Drang nach freier Entfaltung sowie das Finden einer Identität beschnitten wird. Der Regisseurin ist es mit „Persepolis“ gelungen, ein ernstzunehmendes, aktuelles Thema humorvoll und für den Zuschauer zugänglich umzusetzen.

Mittwoch, 17. Juni | 20 Uhr | UJZ Korn
https://www.facebook.com/events/364257123768063/364257127101396/

Zerrspiegel des Ressentiments: Kulturrelativismus im Licht der aktuellen Situation im Mittleren Osten – Vortrag & Diskussion mit Andreas Benl

Als im September 2009 tausende iranischer Demonstranten die antisemitischen Hassparolen des Regimes auf dem sogenannten al-Quds-Tag in Teheran niederschrien, wurde dieses Ereignis im Westen kaum beachtet oder gar begrüßt. Anscheinend waren nicht nur die Herrscher der Islamischen Republik der Meinung, dass die Protestierenden aus der ihnen von Geschichte und Kultur zugedachten Rolle gefallen waren. Michel Foucault war der erste westliche Denker, der 1978/79 in seinen Reportagen aus dem Iran die „spirituelle Politik“ Khomeinis feierte. Er hatte jedoch in Vordenkern des Islamismus wie Said Qutb, Ali Schariati oder Jalal Al-e Ahmad seine orientalischen Pendants. Fast vier Jahrzehnte später ist die Islamische Republik im Westen vom Sehnsuchtsort zivilisationsmüder Intellektueller zum umworbenen ökonomischen und politischen Partner aufgestiegen. Im Mittleren Osten, der Region, der der politische Islam als „natürliche“ Lebensform zugeschrieben wurde, suchen die nicht islamistischen Kräfte dagegen verzweifelt nach Gegenstrategien zur zerstörerischen Expansion der Islamischen Republik und ihres feindlichen Zwillings Islamischer Staat. Eine qualifizierte Minderheit stellt angesichts der gemeinsamen Bedrohung Israels und seiner Nachbarn durch die Islamisten sogar den Antizionismus infrage. In dem Vortrag sollen die historischen Hintergründe und die möglichen Folgen dieser scheinbar paradoxen Situation dargelegt werden.

Andreas Benl ist im Mideast Freedom Forum Berlin aktiv und schreibt unter anderem zum Kulturrelativismus und zur Oppositionsbewegung im Iran.

Freitag, 19. Juni | 19 Uhr | Uni Hannover, F142
https://www.facebook.com/events/1574894292777209/

Schall – Party

Zum gegebenen Anlass laden wir euch ein, solidarisch mit uns zu feiern. Wer sich am 20. Juni im Chéz Heinz einfindet, wird in froher Erwartung auf eine durchgezappelte Nacht im Nimbus der dargebotenen Technobeats von

Si.Kurd (Klinsh | Braunschweig)
Tarek Soltani (Klinsh | Braunschweig)
Nescher (Halb Mensch Halb Techno | Hannover)

nicht enttäuscht werden. Wir offerieren Getränke zu angemessenen Preisen sowie eine unbefangene Feieratmosphäre. Wer sich sexistisch, antisemitisch oder rassistisch verhält, fliegt ohne Diskussion raus.

Samstag, 20. Juni | 23 Uhr | Béi Chéz Heinz (Salon)
https://www.facebook.com/events/1436351983336078/

Gegen den Kampftag der antisemitischen Internationale! – Mobilisierungsveranstaltung

Am 11. Juli 2015 werden sich in Berlin wieder tausende Antisemiten einfinden, um ihre Vernichtungsgebärden gegenüber Israel beim al-Quds-Tag auf die Straße zu tragen. Veranstalter der Demonstration ist die „Quds AG“ um Hauptredner und Verschwörungsideologen Jürgen Grassmann, der auch schon für die Occupy-Bewegung sprach. Der alljährlich stattfindende antisemitische Aufmarsch wurde erstmals vom islamischen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini zur Rückeroberung Jerusalems und Vernichtung Israels ausgerufen. Die Berliner Demonstration ist somit Teil dieses reaktionären Kampftags und fungiert als verbindender Kitt zwischen den unterschiedlichsten politischen Strömungen. Grund genug also, nicht in Passivität zu verharren, sondern dem antisemitischen Wahn aktiv etwas entgegen zusetzen. Die Mobilisierungsveranstaltung wird sich inhaltlich mit dem al-Quds-Tag beschäftigen. Zudem werden die geplanten Gegenaktivitäten vorgestellt und über die Anreisemöglichkeiten informiert.

Mittwoch, 1. Juli | 20 Uhr | UJZ Korn
https://www.facebook.com/events/906594862724534/

Tagesseminar islamistischer Antisemitismus

Was ist Antisemitismus? Was ist Islamismus und inwiefern ist dieser ohne Antisemitismus nicht zu haben? Warum entstand der Islamismus im Zuge der Moderne und stellt nach wie vor ein – weltweit – existierendes, extrem gewalttätiges und blutiges Phänomen dar?Gegen wen oder was richtet er sich und warum ist er dabei so gefährlich? Stellt der djihadistische Islamismus gar eine Form des Faschismus dar? Welche Rolle spielen Nationalismus und eine kapitalistische Produktionsweise bei der Entstehung von Antisemitismus und Islamismus? Wie können solche – im Kern wahnhafte und regressive Ideologien – angemessen kritisiert werden?
Diese und weitere Fragen werden Gegenstand des Seminars sein. Das Seminar bietet Interessierten eine einführende und interdisziplinäre Auseinandersetzung an.
Für die Teilnahme an dem Tagesseminar ist eine Anmeldung per Mail (association.bellevie@aol.de) erforderlich. Nach erfolgter Anmeldung erhaltet ihr weitere Informationen zu dem Ablauf sowie einen Reader mit der Seminarliteratur. Für Verpflegung ist gesorgt.


Samstag, 4. Juli | 11 – 18 Uhr | Uni Hannover, Raum 004, Gebäude 1211
https://www.facebook.com/events/366980730175075/
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Progressive Youth – Linksjugend Hannover (progressiveyouthhannover.blogsport.de) und mit großer Unterstützung des Bildungswerks Politik und Kultur (politikundkultur.org) statt.

Die Arabellion und ihre Folgen – Vortrag & Diskussion mit Thomas von der Osten-Sacken

Als sich 2011 in der arabischen Welt der lange angestaute Unmut gegen die verknöcherten autoritären Regimes in Massenprotesten entlud, forderten überall zwischen Marokko und dem Irak Menschen mehr Freiheit, Demokratie und ein Ende der Repression. Fünf Jahre später scheint all dies vergessen. Mit Ausnahme von Tunesien herrscht entweder, wie in Syrien, Libyen oder dem Jemen Bürgerkrieg oder neue autoritäre Regierungen haben sich etabliert. Auch wenn sie 2011 keineswegs an den Spitze der Proteste standen, scheinen islamistische Bewegungen ebenfalls zu erstarken. Vor allem Syrien hat sich in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt, laut UN die größte humanitäre Katastrophe seit Ende des II. Weltkrieges. In Syrien, Irak und dem Jemen geht es längst um einen Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran auf der einen, Saudi Arabien, den anderen Golfstaaten und der Türkei auf der anderen Seite, der die ganze Region in einen konfessionalisierten dreißigjährigen Krieg zu stürzen droht, in dem die brutalen Djihadisten des Islamischen Staates nur einer der unzähligen Akteure sind. Europa und die USA setzen weiter auf eine Stabilität, die es so nicht mehr gibt und die früher nur genau jene Diktatoren garantierten, gegen die die Menschen 2011 auf die Straße gingen. Der Nahe Osten und Nordafrika befinden sich in einem Umbruch, an dessen Ende nur ganz neue Strukturen stehen können oder ein Gebiet, das man als „failed region“ bezeichnen könnte. Der Referent wird über die aktuelle Lage in der Region berichten und die westliche Nahostpolitik kritisch analysieren.

Thomas von der Osten-Sacken, geboren 1968, schreibt u.a. für die Jungle World. Er ist zudem Geschäftsführer von Wadi e.V., einem Verein für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungsarbeit.

Montag, 6. Juli | 19 Uhr | Uni Hannover, B305
https://www.facebook.com/events/1600994446838708/

Veranstaltungen in Kooperation mit dem LAK Shalom Niedersachsen, der Progressive Youth Hannover und dem AStA Uni Hannover.

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Demo 70 Jahre Befreiung und Besetzung

  • April 11, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Gestern, am 10. April, feierten wir 70 Jahre Besetzung Hannovers und die damit verbundene Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus durch die Alliierten. Mit uns waren ca. 50 andere auf der Straße, um dem deutschen Gedenkkonsens eine Absage zu erteilen und den Befreiermächten zu danken. Wir gingen den Weg der US Army beim Einmarsch in Hannover vom Freizeitheim Linden über die Limmerstraße bis zum Lindener Marktplatz nach, wo die Truppen einen Stützpunkt errichteten.

Nie wieder Deutschland!

Hier ein paar Fotos:

Dämmo1

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70 Jahre Besetzung Hannovers

  • April 3, 2015Januar 30, 2018
  • von Belle Vie

besetzung hannovers

Besetzung
Am 10. April jährt sich die Befreiung und Besetzung Hannovers durch die US Army zum 70. Mal. Nachdem 1944 alliierte Truppenverbände in der Normandie gelandet waren, rückten diese in Richtung Deutschland vor und befreiten Stadt für Stadt, Dorf für Dorf vom deutschen Nationalsozialismus. Die Befreiung Hannovers begann am 10. April mit der Befreiung des KZ Ahlems durch amerikanische Soldaten. Von hier aus rückten die Soldaten fast ohne Gegenwehr über die Limmerstraße zum Lindener Marktplatz vor, auf dem sie eine Militärstellung errichteten. Gegen 21 Uhr fiel der letzte deutsche Widerstand an einer Flakstellung in Langenhagen. Hannover war befreit: Die letzte Rettung vor dem Tod für die überlebenden Verfolgten der Nationalsozialisten, aber dennoch kein Leben, welches sie eigentlich verdient hätten. Eine Herausforderung für die Deutschen, die bis vor Kurzem noch begeistert unter dem Hakenkreuz marschierten. Sie mussten sich neu anpassen, um ihre Lebensqualität, den erbeuteten Reichtum und ihre Privilegien zu sichern.

Neue Umstände
Dies stellte ein Problem für sie dar, denn man führte auch in Hannover trotz drohender Niederlage die deutschen Vernichtungswünsche zu Ende. So wurden ca. 600 Insassen des KZ’s Ahlem am 6. April auf einen Todesmarsch geschickt. Währenddessen wurden 154 zumeist sowjetische Zwangsarbeiter hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Der Gauleiter für Hannover und SS-Obersturmführer Hartmann Lauterbacher gab am 4. April 1945 den Durchhaltefehl für Hannover aus, indem er die Bevölkerung sowie die verbliebenen Truppen von Wehrmacht, SS und Volkssturm aufforderte, bis zuletzt Widerstand gegen die amerikanischen Befreier zu leisten. Bereits in den vorigen Jahren zeichnete sich Lauterbacher immer wieder durch Fanatismus und Grausamkeit aus. So ordnete er im Jahre 1941 die Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung Hannovers an, nach und nach wurden diejenigen, die sich nicht verstecken oder fliehen konnten, zumeist über die KZ-Sammelstelle Ahlem deportiert. Lauterbacher war nicht der einzige, der dieses Ziel verfolgte. Ohne die engagierte Unterstützung der „Zivilbevölkerung“, der deutschen Volksgemeinschaft, wäre das logistische Unternehmen der Vernichtung nie möglich gewesen. Von den insgesamt etwa 2400 aus Hannover deportierten Menschen überlebten weniger als 100.
Trotzdem fiel es den meisten Deutschen nicht schwer, sich der neuen Herrschaft anzupassen, das zeigen die Bilder der jubelnden Menschenmassen bei Einmarsch der Amerikaner auf der Limmerstraße, sowie die Beschäftigung mit der Vergangenheit in den beiden deutschen Nachfolgestaaten. Sie durchlief verschiedene Stadien.

Verleugnen, Verschweigen, Verdrängen
Im Westen, in der Bundesrepublik, spielte die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus erst einmal keine Rolle. Vernichtungskrieg und Shoah wurden einfach verschwiegen, verdrängt oder verleugnet. NS-Funktionseliten waren sich gesellschaftlicher und beruflicher Integration sicher, so wie auch das Beispiel von Lauterbacher zeigt, der nach dem Krieg eine hohe Stelle beim neugegründeten BND fand. Der Rest der Deutschen fand die Lösung in einer Täter-Opfer-Umkehr, die sich bemühte, sie von Schuld und Verantwortung freizusprechen. Die Täter seien demnach nicht die Mehrzahl der Deutschen gewesen, sondern eine kleine Minderheit von fanatischen Nazis, die Deutschland in den Ruin trieben und den Siegermächten der Zerstörung preisgaben. Doch war es gerade die Mehrheit der deutschen Bevölkerung, auf denen der deutsche Nationalsozialismus und die Barbarei fruchten konnten. Trotz des erreichten Zustands der Zivilisation, aber auf seinen Errungenschaften aufbauend, wurde der Schritt in die Barbarei vollzogen.

Staatlich verodneter Antifaschismus
In der DDR stilisierte sich der neu gegründete Staat als ein Volk von Widerstandskämpfern. Er bot den Tätern die Möglichkeit, sich von der „dunklen“ Vergangenheit zu distanzieren, indem man sich als Opfer derselben darstellte. Die „progressive Linie“ in der deutschen Geschichte, die von der Sozialdemokratie in der Kaiserzeit über die gescheiterte Novemberrevolution und den kommunistischen Widerstand geradewegs in die DDR führe, wurde zur Ausrede für die Parteimitglieder, Wehrmachtsangehörige und SS-Offiziere, die nun in Ostdeutschland ein neues Leben begannen. Statt den Nationalsozialismus aufzuarbeiten und die tragenden Elemente des Regimes wie Antisemitismus, völkischen Wahn und Verwertungslogik zu benennen und zu kritisieren, wurde eine Auseinandersetzung gescheut. So bezieht sich auch die heutige Kritik am Dritten Reich meist lediglich auf Worthülsen. Die Fokussierung auf reine Begrifflichkeiten hat dazu geführt, dass sich der heutige Umgang mit der Vergangenheit meist enervierend, doch keinesfalls inhaltlich wertvoll zeigt.

Gestärkt dank Holocaust
Heute gibt sich Deutschland als geläuterte Republik. Aus dem Gedenken an die im Nationalsozialismus ermordeten Menschen speist sich ein neuer Nationalstolz, nach dessen Logik man trotz Auschwitz wieder stolz auf Deutschland sein könne. Die Bundesrepublik gibt sich als Gedenkweltmeister und nutzt die in ihren Augen so vorbildhafte Aufarbeitung der Verbrechen ihrer Großeltern als Legitimation dafür, der Welt moralisch überlegen Urteile vorzulegen. Die Deutschen seien gestärkt und belehrt aus dem Holocaust hervorgegangen.
Das Mahnmal für die Opfer des Holocaust in Berlin wird laut Altkanzler Gerhard Schröder ein Denkmal, „zu dem man gerne hingeht“, während Eberhard Jäckel konstatiert: „Im Ausland beneidet man uns um dieses Denkmal.“ Heute wissen die Deutschen scheinbar, was man an der industriellen Vernichtung der europäischen Juden habe. Es herrscht kein betretenes Schweigen über die Vergangenheit, sondern hat gelernt, wie man aus dem Gerede hierüber politischen Profit ziehen kann. „Erinnern als höchste Form des Vergessens“ wie es Eike Geisel einmal treffend formulierte. Diese „Erinnerung“ kommt ohne echte Betroffenheit aus, aus der wiederum automatisch authentische Teilnahme an Leid und Bedrohung der lebenden Juden erwachsen müsste, konkreter: eine umfassende Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte kommt nicht ohne Solidarität mit dem Staat Israel aus. Stattdessen verschiebt sich jedoch heute die Schuldprojektion in Richtung des jüdischen Staates oder erneut anderer, kodierter Judenfeindschaften. Antisemitismus findet nicht trotz, sondern wegen Auschwitz statt. Die Konsequenz der postnazistischen Deutschen ist deshalb auch nicht Israel, sondern das „neue“ Deutschland. Das „alte“ Deutschland sei nun geläutert, wisse um seine Schuld und könne deshalb nun auch „wegen Auschwitz“ die Welt verbessern. Am deutschen Wesen soll also auch hier wieder die Welt genesen, ob es um Biosprit, deutsche Arbeitsmoral in Griechenland oder um Frieden für den Nahen Osten geht. Statt dieses Deutschland abgeschafft zu haben, ist es nun wieder wirtschaftliche Großmacht, trotz Shoa und missglückter Entnazifizierung, das versucht seine Ideologie auf andere zu übertragen.

Wir danken den Aliierten für die Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus.
Wir feiern diese am Tag der Besetzung Hannovers.
Nie wieder Deutschland!

10. April 2015, 16 Uhr, Limmerstraße Höhe FZH Linden, Ravedemo

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Antiba – der Barbarei entgegentreten! Über Antifaschismus in Zeiten…

  • März 12, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

2014 explodierten Dumpfbackentum, Ressentiment und Barbarei: Antisemitische Massenaufmärsche verlangten „Tod den Juden!“ – Nazis, Islamisten und Linksreaktionäre marschierten vereint im Hass gegen den jüdischen Staat und in Solidarität mit seinen Todfeinden – Djihadisten drohten Andersgläubigen mit Macheten in der Hand, sie „hier genauso zu töten wie im Irak“ – Rechtsreaktionäre erzielten erschreckende Wahlerfolge und mit Pegida, Hogesa &Co mobilisierte ein rassistischer Mob gegen MuslimInnen und Flüchtlinge. Zu Beginn des neuen Jahres machten die djihadistischen Mordanschläge in Paris und Kopenhagen auf ein atheistisches Satiremagazin, eine Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit, einen jüdischen Supermarkt und eine Synagoge klar: der Wahnsinn geht weiter.
Antifa, das ist ihr unschätzbares Verdienst, will in Zeiten, in denen leider keine Aussicht besteht, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen zu bringen, wenigstens den allerschlimmsten und barbarischsten Kräften in den Weg treten. So wichtig es bleibt, sich offenen Nazis entgegenzustellen – es liegt auf der Hand, dass der Kampf gegen sie allein nicht mehr ausreicht. Stiefel- und Nadelstreifennazis verbindet trotz des äußerlichen Gegensatzes im Kern eine enge Seelenverwandtschaft mit den Djihadisten. Wer um ein Minimum an Menschenwürde und um Mindestvoraussetzungen für eine irgendwann vielleicht doch noch gelingende Emanzipation kämpfen will, muss sich der anschwellenden Front der Barbarei in all ihren Facetten entgegenstellen.
Vor welchen Herausforderungen theoretischer wie praktischer Art steht Antifaschismus heute? Wie hilfreich und wie problematisch ist dafür die so genannte „Islamdebatte“? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“ oder “Islamkritik“ dazu beitragen, die Problemlage zu erfassen? Warum ist eine konservativ-orthodoxe Interpretation der Religion in muslimischen Communities so stark präsent? Ist die Rede von „dem“ Islam zutreffend, der im Gegensatz zu „dem“ Christentum Humanität und Säkularität ausschließe?
Wie ist schließlich ein emanzipatorischer Anspruch inmitten einer zunehmend verrückter werdenden Umgebung aus moslemhassenden Sarrazindeutschen, tatsachenresistenten Linken, Nazis und Djihadisten zu formulieren? Und wie kann er praktisch werden?

Der Referent schreibt u.a. für Jungle World, Konkret & auf emmaundfritz.de

Dienstag, 31.03.2015
, 19 Uhr, Uni Hannover, Hauptgebäude

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Endgame Over!

  • März 5, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Gegen Antiamerikanismus und völkischen Wahn

Am 14. März ruft die aus dem rechtspopulistischen PEGIDA-Mob hervorgegangene „EnDgAmE“-Bewegung zu einer Demo in Hannover auf. Das Backronym „EnDgAmE“ steht hierbei für „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“; der Inhalt wird schon im Namen deutlich: Wie schon bei den beiden vergangenen Aufmärschen in Erfurt und in Halle wird auch in Hannover ein wahnhafter Antisemitismus propagiert werden, nach dessen Vorstellung eine kleine Minderheit die Welt knechte und unterjoche. Als Aufhänger dient dabei ein rassistische Stereotype anwendender Antiamerikanismus. Es ist somit zu erwarten, dass Wahnwichtel, Nazis, selbsternannte Reichsbürger und an Chemtrails Glaubende am 14. nach Hannover kommen werden. Als Redner ist unter anderem Wojna, bekennender 9/11-Truther und Sänger der Band „Die Bandbreite“ angekündigt, welcher sich nicht zu schade ist, mit bekennenden Nazis in der Öffentlichkeit aufzutreten.

endgame

Auch andere Demonstrationsteilnehmer, die sich „links“ und antifaschistisch wähnen, waren in Erfurt zu beobachten. Doch was dort vermittelt wurde und in Hannover vermittelt werden soll, ist weder Antifaschismus noch Antikapitalismus.
Antiamerikanismus hat in Europa Tradition. Der Hass auf die angeblich kulturlosen USA ist so alt wie die Geschichte des Staates selbst. Schon als sich die ersten Europäer auf den Weg nach Nordamerika begaben, warfen ihnen die Heimgebliebenen Verrat vor. Ähnlich irrational wird Amerika seitdem von europäischer Seite aus dämonisiert, um die eigene Lebensweise moralisch aufzuwerten. Selbst den europäischen Kapitalismus wähnen Viele als „humaner“ als das amerikanische und globale Wirtschaften. Dass der Kapitalismus, ob europäisch oder amerikanisch immer ein bedürfnisfeindliches System ist, wird außer Acht gelassen. Spielend leicht wird die Welt in Gut und Böse sortiert, um sich Problemstellungen zu vereinfachen. Diese Schuldzuweisungen sind jedoch keine Kritik, sondern eine völlig absurde Aversion.
Wo unsachliche Wutbürger auftreten, ist Antisemitismus nicht weit. In ihrem Wahn gehören in das Feindbild der „EnDgAmE“-Fans auch Juden. Das uralte antisemitische Ressentiment, „der Jude“ würde die Welt, die Börsen, die Medien oder gleich alles zusammen regieren, klingt auch bei „EnDgAmE“ und Umgebung an. So wird die Schuld an der Finanzkrise 2009 in erster Linie „den Amis“ vorgeworfen. In zweiter Instanz werden „jüdische Großbanken“ dafür verantwortlich gemacht. Statt einer sachlichen Analyse von Krise, Geld und Kreditsystem, werden negative Begleiterscheinungen des Kapitalismus mit regressiven Schuldzuweisungen erklärt. Erneut wird in Europa Kritik an den herrschende Verhältnissen personalisiert und in emotionaler Art und Weise auf Juden projiziert. Wird diese Projektion wahnhaft zuende gedacht, bedeutet dies für den Antisemiten die Vernichtung aller Juden.
In der Welt der „EnDgAmEr“ gilt es, sich möglichst weitreichend von den „Volksschädlingen“ zu distanzieren, somit wird alles, was als nicht deutsch angesehen wird, abgelehnt, um die eigene Kultur rein zu halten. Nicht umsonst ist die Parole „Wir sind das Volk“ unter den armseligsten Gestalten der deutschen Wutbürger-Kultur wieder so beliebt.
Umso wichtiger ist es, am Samstag eine emanzipatorische Alternative aufzuzeigen und zu beweisen, dass Gesellschaftskritik nicht funktioniert, in dem Schlechtes auf einzelne Objekte projiziert wird, sondern durch eine Kritik der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse.
Der Erfolg gegen HAGIDA in den vergangenen Wochen gibt uns Mut, mit Vielen zu rechnen. Wir hoffen, dass es eine radikale Linke schafft, gegen faschistisches, völkisches Denken vorzugehen, auch wenn der Rassismus sich gegen „die Amerikaner“ und der Antisemitismus sich in falschem Antikapitalismus und Verschwörungsdenken artikuliert.
Kommt also am 14. März nach Hannover und zeigt den Spinnern was ihr von ihnen haltet.
Gegen jegliche Form des Antisemitismus und Antiamerikanismus!

14. März Hannover, 14 Uhr, ZOB
EnDgAmE: An diesem Level werdet ihr scheitern!

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Zur Kritik des poststrukturalistischen Feminismus

  • März 2, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Vortrag und Diskussion mit Andrea Trumann

Anfang der 1990er Jahren schwappte ein Trend aus den USA nach Deutschland herüber. Begriffe, wie „queer“ und „gender“ bestimmten nun den feministischen Diskurs. Daran hatte vor allem Judith Butlers „Gender Trouble“ seinen maßgeblichen Anteil.
Die Idee der Queer-Theorie die dichotome Zweigeschlechtlichkeit zu dekonstruieren, eindeutige Identitätszuschreibungen in Frage zu stellen und „so viele Geschlechter wie Individuen“ auszumachen wirkte auf viele Feministinnen befreiend.
Jedoch erwies sich die Verbalradikalität der Queer-Theorie als Schein, der die kapitalistische Ordnung nicht in Frage stellte, sondern nur um die Anerkennung der Ausgeschlossenen kämpfte. Die Produktionsverhältnisse waren jedoch kein Thema mehr. Seit ein paar Jahren ist von einigen Feministinnen die Kapitalismuskritik wiederentdeckt worden, und wurde versucht mit der Queertheorie zu verbinden. Dies führt jedoch ebenfalls nicht zu einer grundlegenden Gesellschaftskritik, sondern verbleibt auf der Ebene der Erscheinung.
Judith Butler selbst fand die „deutsche Rezeption“ ihrer Werke schon immer merkwürdig, da in Deutschland überall neue Möglichkeiten der Auflösung der Geschlechter gesehen wurden, statt den Zwangscharakter der Zuschreibung zu betonen. In den letzten Jahren ist jedoch von Butlers Identitätskritik in der queerfemininistischen Szene kaum etwas übrig geblieben, vielmehr kann man eine Vervielfältigung der Identitäten beobachten, die allesamt Sorge haben in Medien und Sprache zu wenig repräsentiert zu werden. Überall wird der Ausschluss gewittert und autoritär verfolgt.

Andrea Trumann arbeitet als Sozialpädagogin, derzeit ist sie in Elternzeit. Von dem linken Gruppenwesen hat sie sich verabschiedet,
versucht sich aber immer noch in kommunistischer Agitation.

Veranstaltung im Rahmen der Kampagne Riot statt Rosen zum Frauen*kampftag 2015.

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Psychoanalyse des Antisemitismus

  • Januar 6, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Mit einem halben Jahr Verspätung ist es uns nun gelungen, den Audiomitschnitt der Veranstaltung mit Sebastian Winter vom 23.07.2014 hochzuladen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Schall&Wahn-Kampagne statt.

https://soundcloud.com/association-belle-vie/psychoanalyse

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Deutschland, du bist besonders

  • Januar 5, 2015August 29, 2016
  • von Belle Vie

Dieser Text erschien in der Bündniszeitung gegen die Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober 2014 in Hannover.

Zur Kritik deutscher Spezifika

In diesem Text soll es um Nationalismus gehen. Aber nicht um irgendeinen Nationalismus, sondern um den deutschen. Denn Nationalismen sind nicht alle gleich. Gemeinsamkeit ist, dass alle Nationalismen sich auf ein vorgestelltes Kollektiv beziehen, das irgendwie zusammengehöre. „Die Menschen gehören zusammen, weil sie nun mal Deutsche sind.“ Allerdings ist diese Gemeinschaft eine Zwangsgemeinschaft, weil ihre Mitglieder bei ihrer Geburt willkürlich dem Staat und der Nation zugeordnet werden. Die Zwänge und Pflichten, die das mit sich bringt und auch der konkrete Nationalstaat sind real. Sie existieren und wirken sich tagtäglich auf die Menschen aus, die das jeweilige Staatsgebiet bewohnen. Was jedoch nicht real ist, ist die Vorstellung der Nationalisten, alle Menschen in der Nation würden das Beste füreinander wollen. Die Nation ist eben keine „große Familie“, sondern der Zwangszusammenschluss der konkurrierenden Einzelpersonen. Das Gebilde der Nation soll über den Umstand der ständigen Konkurrenz hinwegtäuschen. Zur weiterführenden Kritik am Nationalismus sollten die anderen Artikel dieser Zeitung herangezogen werden.
Trotz der genannten Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die verschiedenen nationalistischen Ideologien in ihren Begründungen, Eigenschaften und Folgen. Hier sollen deutsche Besonderheiten – Spezifika – kritisiert werden. Denn zum einen ist der deutsche Nationalismus derjenige, der die Leser_innen dieser Zeitung wahrscheinlich am ehesten betrifft und zum anderen ist damit der Zusammenhang zwischen Judenvernichtung (Shoah) und ihrer Folge, der heutigen Beschaffenheit des deutschen Nationalismus, zu erklären.
Die Geschichte des deutschen Nationalismus beginnt oder endet nicht mit der Shoah, doch sie ist bezeichnend für den Charakter desselben. Als Konsequenz aus dem Nationalsozialismus fand sie während des Zweiten Weltkriegs in den 1940er Jahren statt und erstreckte sich über das gesamte von den Deutschen besetzte Europa. Sie war die massenhafte industrielle Vernichtung von Millionen Juden. Trotz der kurzfristigen ökonomischen Vorteile durch Zwangsarbeit und Enteignung folgte sie letztendlich keiner ökonomischen Rationalität. Die Nachteile des immensen Aufwandes überwogen. Sie war damit ein selbstmörderisches Unternehmen, dessen einziges Ziel die Auslöschung aller Juden und Jüdinnen war. Hinter diesem Ziel standen in erster Linie keine ökonomischen oder machtpolitischen Interessen, sondern das Ideal einer judenfreien Welt. Die wahnhaften Ideologen des Antisemitismus hofften nach der Auslöschung der Juden auf eine bessere und gerechtere Ordnung. Denn die Juden stellen in ihrer Weltanschauung die Schuldigen für alles Übel dar. Der Wunsch nach einer gerechten Welt war für sie der Wunsch nach einem gerechten Rassenkampf, den die Deutschen aufgrund ihrer Überlegenheit gewinnen sollten.
Durch den von Goebbels 1943 ausgerufenen „totalen Krieg“1 zeigte sich die Beteiligung des ganzen deutschen Staatsvolks – mit Ausnahme der wenigen Widerständigen – das auch vorher bereits den Krieg und die Vernichtung mitgetragen hatte, besonders deutlich. Sie waren bewusst beteiligt, ob durch Duldung und Billigung des Zustandes oder durch die Ausführung der Morde.
Dass die Shoah in Deutschland geschah, ist weder dem Zufall noch einer bestimmten biologischen Beschaffenheit der Deutschen zuzuschreiben, sondern ergab sich aus verschiedenen geschichtlichen, polit-ökonomischen und gesellschaftlich besonders deutschen Verhältnissen. Außerdem spielten schlussendlich die persönlichen Entscheidungen der handelnden gleichgeschalteten Einzelpersonen, die in der Volksgemeinschaft aufgingen, eine große Rolle.
Entstehend im 19. Jahrhundert begründete sich der deutsche Nationalismus im Gegensatz zum französischen oder amerikanischen nicht auf die Nation als Kollektiv des „Volkssouveräns“. In dieser Vorstellung gehören die Leute zu einer Nation, weil sie denselben Wohnort haben, gemeinsame Interessen besitzen und sich auf gemeinsame Grundsätze beziehen (wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Aus diesem Grund würden sie sich in einem Staat organisieren, dessen ideologischer Überbau die Nation dann ist. Auch diese Art von Nation ist nicht zu begrüßen, denn es ist genau die Form, die die heutige Herrschaft institutionalisiert hat und die bürgerliche Ordnung herstellt, in der sich die gemeinsamen Werte wie die der Freiheit immer als kapitalistische Freiheit entpuppt. Diese ist eine doppelte Freiheit, in der man zum einen die Freiheit als Rechtsperson besitzt, aber auch die Freiheit von allen Mitteln der Produktion oder von allen Lebensmitteln.
Doch der deutsche Nationalismus begründete sich eben nicht auf dem „Volkssouverän“, sondern auf die völkische Definition der Nation. Wer „deutsch“ ist, hat deutsches Blut und deutsche Vorfahren. Diese Blut- und Boden-Ideologie ist deshalb besonders brutal, da die Teilnahme an der Nation zum naturgemäßen Zwang wird. Eine Flucht aus der Gemeinschaft oder eine Aufnahme in diese wird deutlich schwerer bis unmöglich.
Die deutsche Nationalstaatsbildung erfolgte auch nicht durch einen bürgerlichen Umsturz der feudalen Verhältnisse, der Grundlage der kapitalistischen Moderne, sondern war eine obrigkeitsgesteuerte Legitimation eines deutschen Großreichs unter preußischer Führung im weiterhin monarchischen System. Die Zusammenfassung der vormaligen starken Einzelinteressen der Kleinstaaten in ein nationales gelang nur durch die besonders aggressive Feindbildkonstruktion gegenüber einem Feind, der nach 1800 aufgrund historischer und geographischer Zusammenhänge Frankreich hieß. Im Laufe der Geschichte wird und wurde dieser Feind umgedeutet und wahlweise vor 1800 Rom zugeschrieben oder mit Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich der USA.
Die obrigkeitsgesteuerte nationale Zusammenkunft der Einzelnen führte zu einem deutschen Sonderweg in der Entwicklung in die Moderne. Dabei wurden die als deutsch identifizierten Bewohner innerhalb der deutschen Grenzen zwar zu Bürgern, aber nur auf der wirtschaftlichen Ebene. Politisch waren sie immer noch Untertanen des Kaisers bzw. abhängig von ihrem Landesherren. Neben der stetigen wirtschaftlichen Fortentwicklung blieb der politische Modernisierungsprozess auf der Strecke.
Zu den deutschen Tugenden des Kaiserreichs gehörte neben Pünktlichkeit und Ordentlichkeit auch das besondere Verhältnis zur Arbeit. Sie wurde quasi zum Selbstzweck und zur Lebensaufgabe. Diese Arbeitsmoral ist aber nur die Ideologie, die von den tatsächlichen Vorgängen ablenkt. Der materielle Kern der Lohnarbeit ist derselbe wie in anderen Staaten auch. Nur wer arbeitet, ist nach diesem Denken moralisch in Ordnung. Wer dies nicht tut, verrät die Gemeinschaft und wird ausgeschlossen. Somit geht der Arbeitsbegriff über den wirtschaftlichen Aspekt der Schaffung von Mehrwert hinaus und erhält einen moralisch-autoritären Ausdruck.
In der komplexer und schneller werdenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung, was sich in zahlreichen Umbrüchen in den Familien-, Arbeits- und Herrschaftsstrukturen zeigte, wurde der Jude zur Projektionsfläche für die abstrakten Vorgänge des Kapitalismus, wie beispielsweise der Finanzwelt. So wurden den Juden ein raffendes Verhalten im Gegensatz zur schaffenden Arbeit der deutschen Industrie unterstellt. Diese Interpretation ist schlichtweg falsch, da sie die Zusammenhänge von Real- und Finanzwirtschaft übersieht – die so nicht zu trennen sind – und dadurch die Komplexität der wirtschaftlichen Zusammenhänge im Kapitalismus stark vereinfacht und verfälscht. Denn beide Sektoren haben das Ziel besonders viel Profit zu machen. Weder die Herstellung von Zahnbürsten oder das Bereitstellen von Bankkonten, noch das Bauen von Wohnhäusern haben das Ziel irgendwelchen Menschen zu helfen und ihre Bedürfnisse zu stillen, sondern werden vollbracht um damit Geld zu verdienen.
Trennung und Zuschreibung stehen in der Tradition des religiösen Antijudaismus, fanden aber in der modern verwalteten kapitalistischen Welt erst ihre volle Entfaltung, nach der Losung: „Der Deutsche schafft, der Jude zerstört.“
So wird auch die Lösung aller Probleme nicht in der Überwindung des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit gesehen, sondern in der Vernichtung der Juden und Jüdinnen sowie der gleichzeitigen Bildung einer deutschen Volksgemeinschaft, in der dieser Gegensatz durch einen Frieden zwischen Arbeitenden und Besitzenden scheinbar gelöst wird. Die Volksgemeinschaft lässt sich weiter als totale Unterwerfung des Individuums und seiner Eigeninteressen unter die des Kollektivs fassen. Die Gesellschaft soll nicht funktionieren, um den freien Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, sondern der Einzelne soll seine Möglichkeiten in die Interessen der Gemeinschaft stellen und somit ausschließlich für die Volksgemeinschaft existieren.
Die Konsequenz aus diesem Vorlauf ist die bereits oben geschilderte Shoah. Nur durch das alliierte Eingreifen konnte dem Morden ein Ende bereitet werden. Bis zum letzten Moment des Krieges versuchten die Deutschen, möglichst viele Juden umzubringen.
Der Antisemitismus war nach dem Ende des Krieges nicht einfach verschwunden, aber ein Tabu. Deswegen musste er sich wandeln. Offener, unverschlüsselter Antisemitismus war in der Mehrheitsgesellschaft nicht mehr tragbar. Wie im restlichen Europa zeigte er sich dann z.B. in Antizionismus oder Verschwörungstheorien, die als letzte Konsequenz Juden als Schuldige für die Weltmisere ausmachen. So ist der Antizionismus die geografische Ausformung des Antisemitismus, in der der Zionist2die Rolle des Juden im Antisemitismus übernimmt.
Speziell in Deutschland ist jedoch der Umgang mit der Shoah. Einerseits kehrt sich der sekundäre Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz gegen die Juden. Das heißt: Die Deutschen verzeihen es den Juden nicht, dass sie sich von umbringen ließen und die Deutschen dafür die Schuld auf sich nehmen müssen. Das zeigt sich in Aussprüchen wie „die Juden instrumentalisieren den Holocaust für ihre Zwecke und verdienen damit auch noch Geld“ oder „Was die Juden in Palästina machen, ist genau so schlimm, wie das, was ihnen vor 70 Jahren passiert ist.“
Auf der anderen Seite wird die „Vergangenheitsbewältigung“, das Überwinden des „dunklen Kapitel in der deutschen Geschichte“ zum neuen nationalen Gründungsmythos, sozusagen als Lehrstück, aus dem das deutsche Volk gestärkt hervorgeht. Aus dem Nationalsozialismus wird also nicht abgeleitet, was die Gründe für denselben sind, sondern wie sich die Deutschen daran selbst optimieren können.
Diese „Vergangenheitsbewältigung“ wird weiter zur Berechtigung einer aggressiven verbalen, aber auch praktischen Außenpolitik: Deutschland müsse wegen seiner geschichtlichen Vergangenheit Israel auf die Finger hauen, den Balkan bombardieren oder mehr Verantwortung in der Weltpolitik übernehmen.
Durch den deutschen Nationalismus ziehen sich also Kontinuitäten:
Da wäre zum Einen das deutsche Staatsbürgerrecht, dass nur die Kinder dem deutschen Staat zuordnet, die auch deutsche Eltern haben, unabhängig davon, wie lange diese schon in Deutschland leben. Zum Andern zeigt sich die Kontinuität im deutschen Arbeitsverständnis, in dem Arbeit noch immer eine moralische Pflicht ist. Dieses spiegelt sich z.B. darin wider, dass Arbeitslose trotz Aussichtslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt für 1 Euro die Stunde sinnlose Tätigkeiten verrichten, weil sie damit nach der deutschen Logik nicht dem moralischen Verfall preisgegeben werden. Und letztendlich ist das momentan deutsche ideologische Gerüst auch nicht auf einen Ort festgelegt, wie dem, der sich zurzeit Deutschland nennt, sondern kann sich überall ausbreiten.

 

 

______________________________________

  1. Der „totale Krieg“ bezeichnet die Einbindung der gesamten deutschen Zivilbevölkerung in die Kriegshandlung des 2. Weltkriegs. Unter großem Beifall wurde dieser durch Reichspropagandaminister Goebbels im Sportpalast ausgerufen. [zurück]
  2. Der Zionimus enstand als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus und ist die Bewegung einen jüdischen Staat im nahen Osten zu gründen, der als Schutzraum für Juden und Jüdinnen fungiert. [zurück]

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