Wir sind eine antideutsche Gruppe aus Hannover, die seit 2013 besteht – ehemals als association [belle vie]. Grundlage unserer Politik sind Interventionen in den deutschen Alltag. Aus der marginalen Position als antideutsche Kommunisten legen wir den Fokus darauf, durch punktuelle Aktionen die Restvernunft zu mobilisieren und die vor sich erschrecken zu lassen, die dazu noch fähig sind, um zu Selbstkritik und Erkenntnis zu gelangen, kurz: den grassierenden Wahn zu denunzieren.
Unsere Arbeit besteht primär in der Organisation von kritischen Vorträgen, Polemiken und Aktionen und scheut sich auch nicht davor, die hiesige Linke in den Fokus der Kritik zu rücken, da bei dieser Anspruch und Wirklichkeit als kritische Instanz oftmals auseinanderklaffen.
1.
Als Antideutsche wenden wir uns gegen deutsche Ideologie. Sei es in Form des Nationalsozialismus, in Gestalt des postnazistischen Gedenkweltmeisters oder als autoritärer Islamismus. Deutsche Ideologie ist weder orts- noch zeitgebunden, sie wird vielmehr verursacht durch eine politisch-ökonomische Konstellation, die historisch vor allem in Deutschland vor 1933 vorzufinden war1. Die deutsche Ideologie im Nationalsozialismus kennzeichnete sich durch durch ihre antibürgerliche Tendenz. Ihr zentrales Moment ist der eliminatorische Antisemitismus.
Im postnazistischen Deutschland der Gegenwart transformiert sich deutsche Ideologie und macht den Nationalsozialismus zur Lehrstunde für die Deutschen. Das German Gedenken wird damit zum Exportschlager, auf dem das neue – wiedergutgewordene2 – Deutschland aufbaut.
Aus dieser Selbstläuterung speist sich auch der neu gewonnene Antirassismus der Berliner Republik, der mittlerweile zum guten Ton gehört und als Staatsraison den notorischen Aktivbürger mobilisiert. Das Eintreten für eine multikulturelle Gesellschaft, die alles Autochthone und natürlich Gewachsene in partikularen (“Kultur”-) Gemeinschaften verteidigen will, artikuliert sich dabei stärker als die Verteidigung des bürgerlichen Versprechens von Gleichheit und Freiheit. Die Zusammenrottung der Deutschen als willfährige Engagementmasse beschränkt sich freilich nicht nur auf den reinszenierten Aufstand der Anständigen: sei es im Ressentiment gegenüber den USA, dem deutschen Volkssport “Israelkritik” oder regressiven Antikapitalismus – in der Vereinigung von Halbbildung und kollektivem Narzissmus3 sind die enthemmten Subjekte in ihrem affektiven Rausch nie davor gefeit, dass ihre Aversion gegen erklärte Sündenböcke in Verfolgung und Brutalität umschlägt.
2.
Die Kritik am Islamismus ist für uns ein essentielles Moment antideutscher Intervention. Der Krieg dschihadistischer Banden gegen die als Zumutung wahrgenomme (westliche) Moderne und die beständige Vernichtungsdrohung gegen all jene, die als Ungläubige nicht in das Kollektiv der islamischen Glaubensgemeinschaft gehören, sorgen dafür, dass der Islamismus derzeit das stärkste Potential bietet, eine negative Aufhebung des Kapitalismus herbeizuführen.
Die Kritik am Islamismus umfasst für uns auch eine emanzipative Religionskritik am Islam und dessen orthodoxer Auslegungspraxis. Diese richtet sich am zwangskollektivierenden Charakter und dessen irdischer Entsagungs- und Verzichtsgebote aus, fordert die Zurückdrängung der Religion in die Sphäre des Privaten und setzt das Ideal des freiheitlichen Individuums an Stelle rigoroser Entindividualisierung.
3.
Die bedingungslose Solidarität mit Israel ergibt sich für uns nicht nur als Konsequenz aus der Shoah, die bedeutet, den Staat der Holocaust-Überlebenden als notwendigen Schutzraum vor dem eliminatorischen Antisemitismus zu begreifen. Solange die Verhältnisse so eingerichtet sind, dass sie den Antisemitismus immer wieder aufs Neue produzieren, solidarisieren wir uns mit dem Staat Israel und seiner militärischen Verteidigung, um überhaupt die Möglichkeit einer besseren Gesellschaft denken zu können.
4.
Obwohl die Welt zurzeit so eingerichtet ist, dass es eher gilt, den bürgerlichen Rechtsstatus zu erhalten, also nicht islamischen Kalifen, autochthonen Dorfmobs oder diktatorischen Schlächtern das Souverän und die Rechtsprechung zu überlassen, halten wir es immer noch mit Adornos Diktum, „den besseren Zustand (…) [zu] denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.“4
La belle vie: Das Festhalten an der Aufhebung des falschen Ganzen und der Etablierung einer Gesellschaft als Assoziation freier Individuen, in der ein freies, ein schönes Leben möglich erscheint.
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- Näheres siehe http://belleviehannover.org/deutschland-du-bist-besonders
- Der Begriff der “Wiedergutwerdung” Deutschlands stammt von Eike Geisel
- Theodor W. Adorno: Theorie der Halbbildung. (1959) In: Gesammelte Schriften, Band 8: Soziologische Schriften 1. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
- Theodor W. Adorno: Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben. (1979) Frankfurt a.M.: Suhrkamp.